EVA FELS

Staatliche Geschlechtskontrolle

Erschienen in: unique,
Zeitung der ÖH Uni Wien, Nr.4, November 2001 S. 10

 

 

Hermaphrodit

Was muss Herr Johannes Huber eigentlich tun um Frau Johanna Huber heißen zu können, nicht nur privat, sondern ganz offiziell?

 

In England braucht man dafür nur eine lapidare Erklärung. In Österreich aber muss man ein groteskes Verfahren auf sich nehmen. Das Namensänderungsrecht verbietet, dass der erste Vorname dem Geschlecht widerspricht. Es erlaubt nur einen geschlechtsneutralen Namen zu wählen, einen den sowohl Mädchen wie Buben tragen können: Chris, Maxi oder Renan zum Beispiel. Die Auswahl ist nicht groß, und eher exotisch als gängig. Es sind die Namen, die Eltern ihren Kindern nicht als ersten Vornamen geben dürfen, da sie das Geschlecht nicht eindeutig ausweisen. Wer aber einen solchen Namen annimmt, dokumentiert öffentlich, dass er eine Transgenderperson ist. Der Staat achtet auf eine korrekte Geschlechtsstigmatisierung.

Damit kann Johannes nur Johanna werden, wenn auch der Geschlechtseintag im Geburtenbuch geändert wird. Das Verfahren ist durch den Transsexuellenerlass des Innenministeriums von 1996 und durch Empfehlungen des Sozialministeriums von 1997 geregelt. Demnach müssen sich Transgenderpersonen einer Therapie unterziehen und insgesamt acht Gutachten einbringen. Die Änderung des staatlichen Geschlechtsstatus erfordert eine unbeeinflussbare zwanghafte Persönlichkeitsstörung.

Der Erlass von 1996 verlangt „sich geschlechtskorrigierender Maßnahmen zu unterziehen“, die zu einer „deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben.“ Der Erlass von 1997 regelt den Umfang der Psychotherapie und schreibt einen einjährigen Alltagstest vor. Die Tatsache, dass Johannes nun als Johanna leben muss, dabei aber keinen weiblichen Vornamen tragen darf, gewährleistet meist Arbeitslosigkeit. Nur wenn eine baldige Geschlechtsanpassung der Papiere nach einer Operation zu erwarten ist, kann man bei aufgeschlossenen Arbeitgebern auf eine Weiterbeschäftigung hoffen. Sehr nützlich können sich die im Alltagstest stehenden freilich nicht machen: Im letzten Jahr vor der Geschlechtskorrektur fallen 60 bis 90 Arzt- und Behördenwege an.

Letztlich ist eine zusammenfassende Indikation vom Institut für Gerichtsmedizin der Universität Wien vorzulegen. Für ganz Österreich begutachtet hier Frau Dr. Friedrich, die selbst am Erlass mitgearbeitet hat, die sieben einzubringenden Einzelgutachten und entscheidet über die Änderung des Geschlechtseintrags. Dabei bleibt ein erheblicher Ermessensspielraum:

Der Erlass von 1997 verlangt auch die „Durchführung der Operation“ ohne diese näher zu definieren. Konnte man 1996 unter geschlechtskorrigierenden Maßnahmen des „äußere Erscheinungsbilds“ noch eine hormonelle Transformation, die Entfernung des Barts oder die Aneignung einer entsprechenden Geschlechtsperformance verstehen, so verlangt der Staat nun von GeschlechtsmigrantInnen explizit einen chirugischen Eingriff. Geschlechtlichkeit wurde wieder auf Genitalität reduziert.

Bei Frau-zu-Mann Transsexuellen werden in einer Serie von Operationen Gewebeteile zum Aufbau eines Penoids verpflanzt. Weder funktional noch optisch einem Penis entsprechend werden diese oft unerwünschten Würstchen von Transmännern als Cola-Dosen bezeichnet. Entscheidend aber waren die Einwände der Krankenkassen angesichts der hohen Operationskosten. So erkennt heute das Institut für Gerichtsmedizin Transmänner auch dann als Männer an, wenn diese ‚nur’ Unfruchtbarkeit und die Entfernung der Brüste belegen.

Bei Mann-zu-Frau TS dokumentiert das Institut für Gerichtsmedizin dagegen ungebrochen die Geisteshaltung des Freudschen Kastrationskomplexes: Ein Mann wird demnach durch Entfernung von Penis und Hoden zur Frau. Anders geht es nicht.

Dass viele Transsexuelle die Zwangstherapie und das Operationsgebot aus diversen Gründen ablehnen, ist irrelevant. Da gibt es Transfrauen, die sich trotz riesiger Brustimplantate als ‚M’ ausweisen müssen; da gibt es Transmänner, die nach einer Hormonbehandlung mit kräftigem Bart und männlicher Stimme im Krankenhaus in die Frauenabteilung eingewiesen werden. Manche TS leben mit gefälschten Papieren damit sie überhaupt eine Chance haben einen Mietvertrag zu unterzeichnen.

Zwischen 1977 und 1996 wurden in Österreich 94 geschlechtsanpassende Operationen durchgeführt. Das ist eine Minderheit im Vergleich zu jenen, die ohne korrekte Papiere im anderen Geschlecht leben.

Der Staat kontrolliert und verwaltet das Geschlecht mit mehr Sorgfalt als die verstaatlichte Industrie. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass die Unterscheidung nach dem Geschlecht nicht auch vom Staat forciert wird. Schließlich repräsentiert er ein sexistisches System, das Geschlechtskonformität fordert und jede Abweichung diffamiert und pathologisiert.

Wir haben kein Recht auf Anerkennung unserer vielfältigen Geschlechtlichkeiten.

Noch nicht.

 



Die Autorin ist Obfrau der Österreichischen TransGender-Vereinigung TransX.

Für Information, Beratung und Widerstand siehe: http://TransX.TransGender.at

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