Von der TransSexuellen- zur TransGender-Selbsthilfegruppe und darüber hinaus

2008-10-01, Referat im Rahmen des Workshops "Geschichte, Gegenwart und Zukunftstrends in der Beratung und Selbsthilfe von Lesben, Schwulen und Transgenderpersonen" im Rahmen der Fachkonferenz "10 Jahre Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen",

  3. Okt. 08, Wien.


 

Die klassischen TS-Selbsthilfegruppen, die in den 80er und 90er Jahre entstanden, waren vor allem durch das gemeinsame Bedauern der Lebenssituation geprägt: Geteilter Frust ist umso berechtigter. Dabei dominierte die Vorstellung, dass ein vorgegebener steiniger "Weg" vom ersten geschlechtlichen Unbehagen zur Personenstandsänderung zu beschreiten sei. Wer dieses "Ziel" erreicht hat hatte "es" angeblich geschafft. Der Bedarf an Beratung bezog sich infolge dessen primär auf das Abstolpern der einzelnen Schritte. Es war bekannt, "wie weit" jedeR war, und wer schon fast das "Ziel" erreicht hatte. Nur von jenen, die "es geschafft hatten" wusste man recht wenig, weil man sie in den Selbsthilfegruppen fast nie antraf. Sie mussten wohl im Himmel leben!

Wer aber dem Spießrutenlauf zögernd oder distanziert gegenüberstand konnte sich in solchen Gruppen keine Freunde finden. Noch zu Beginn dieses Jahrzehnts gab es in Wien eine Gruppe nur "echte TS" betreuten und Personen ohne Operationswunsch schlicht wegschickte. Doch diese Zeit ist längst vorüber.

Das Credo der standardisierten TS-Transformation ist mittlerweile brüchig geworden. Ein einheitliches "Ziel" wird längst nicht mehr allgemein anerkannt. Dank des gestiegenen Selbstbewusstseins der Betroffenen hat die individuelle Auswahl und Reihung der Therapien an Bedeutung gewonnen.

TransX hat sich von Beginn an - und das ist immerhin seit 1995 - als TransGender-Gruppe verstanden. TransvestinInnen und Transsexuelle finden hier ebenso Raum wie alle anderen Formen fluider Geschlechtsidentitäten. Als ältester TG-Verein Österreichs ist TransX heute ein Multitasking-Prozess, der Beratung, Selbsthilfe, Lobbiing und TG-Aktivismus nach dem Organisationsmodell von Horden miteinander verknüpft.

Wesentliche Aufgabe ist es die Betroffenen in persönlicher Konfrontation mit allen Facetten des TransGender-Spektrums zu ermuntern ihren Weg zu gehen. In der "Beratungsarbeit" hat das Internet längst die Vermittlung standardisierten Wissens übernommen. Persönliche Kontakte bleiben aber für individuelle Tipps und Tricks notwendig. Dabei ist das Community-Building und der Aufbau von Informationsnetzwerken längst in den Vordergrund getreten.

Unsere Selbsthilfearbeit deckt mittlerweile ein immer breiteres Spektrum ab: Stimmarbeit, Selbstverteidigung, Körpersprache & Kommunikationsseminare gehören ebenso dazu wie Makeup-Workshops und Selbsterfahrungswochenenden.

Selbsthilfe impliziert aber auch politische Arbeit. Solange unsere individuelle Entwicklung durch eine staatliche Regulierung eingeschnürt wird, die uns für das Leben unseres eigenen Geschlechts medizinische Behandlungen und Operationen abverlangt, müssen die Rahmenbedingungen für die geschlechtliche Selbstbestimmung erkämpft werden. Die letzte Bundesregierung ist an ihrem Vorhaben, rechtliche Verbesserungen für TG-Personen zu realisieren kläglich, gescheitert. Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass jene, die sich mit der Geschlechtsordung arrangieren können, überhaupt die bestehenden Geschlechtszwänge erkennen können, wenn wir - die Betroffenen - sie dafür nicht sensibilisieren.

Dabei konnten wir erfahren, dass im öffentlichen Auftreten für TransGender-Rechte ein gewaltiges emanzipatorisches Potential für TG-Personen selbst liegt: Durch das bekennende Offenlegen der eigenen Entwicklung kann die schamvolle abendländische Geschichte der Geschlechtsüberschreitung selbstbewusst überwunden und so der Diskriminierung entgegengetreten werden.

 

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