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Transgenderpersonen werden öffentlich zunehmend akzeptiert - so wie auf diesem WC-Schild an den US-Uni Kent ersichtlich. - Foto: AP/Stahl

TRANSGENDER

Geschlechtswechsel erstmals ohne Operation

30. März 2010, 18:26

Innenministerium stellte erstmals Bescheide an Transgender-Personen aus, die diesen den Geschlechtswechsel ohne Genitaloperation zuerkennen

Wien - "Ich bin zutiefst erleichtert, dass die Sache ausgestanden ist. Und ich freue mich sehr über das Happy End", sagt Michaela P.. Vor wenigen Tagen ist der ehemaligen Geschäftsführerin eines multinationalen Unternehmens ein Bescheid aus dem Innenministerium zugestellt worden, der ihr Leben beträchtlich erleichtert. Und sie weiß noch von einer weiteren Betroffenen, die dieser Tage ein gleichlautendes Schriftstück erhalten hat.

Darin ist festgehalten, dass die als Mann geborene Transgenderperson jetzt endlich auch vor den Behörden jenem Geschlecht angehört, dem sie jeder, der sie trifft, aufgrund ihres Aussehens ohnehin zuordnet: dem weiblichen. Grundlage des Bescheids, laut dem P. jetzt auch laut Personenstandsregister eine Frau ist - und ihren Vornamen Michaela auch ganz offiziell führen darf -, ist ein Umdenken im zuständigen Innenministerium. "Die geschlechtsanpassende Operation ist nicht länger Voraussetzung für eine Personenstandsänderung vom einen zum anderen Geschlecht", erläutert Ministeriumssprecher Rudolf Gollia.

Besagtes Umdenken hatte eine beträchtliche Vorlaufzeit: Jahrelang hatte man im Innenressort auf dem Standpunkt beharrt, dass erst die chirurgische Entfernung von Hoden und Penis einen Mann zu einer Frau mache - und die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken eine Frau zu einem Mann. Die sonstige "äußere Erscheinung" - Kleidung, Enthaarung, durch Hormonmedikamente erzielte körperliche Veränderungen sowie die Versicherung Betroffener, sich unwiderruflich als Person des anderen Geschlechts zu fühlen - wurde als "nicht ausreichend" abgetan.

Auch nach dem Kippen der diesbezüglichen ministeriellen Erlässe durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) (siehe Wissen) hatte man im Ressort Maria Fekters auf der Vorausbedingung Operation bestanden - obwohl diese von immer mehr Betroffenen abgelehnt und in der Transgenderbewegung international schwer in Zweifel gezogen wird, wie Eva Fels, Obfrau des Vereins TransX, erläutert.

Im Kreis argumentiert

Zuletzt hatte die ministerielle Argumentation begonnen, sich im Kreis zu drehen. Walter Grosinger, Vizeleiter der zuständigen Abteilung, hatte noch Ende Jänner im Standard-Gespräch darauf bestanden, "dass die Operation nötig ist, wenn man sich an den Wortlaut des VwGH-Erkenntnisses hält". Denn: "Dort steht, dass ein Gutachten erstellt werden muss." Und: "Im vorliegenden Fall Michaela P. ist der Gutachter zu dem Schluss gekommen, dass es ohne Operation nicht geht."

Daraufhin nahm sich die Volksanwaltschaft des Konflikts an - um laut Volksanwältin Terezija Stoisits zu prüfen, ob die vorenthaltene Personenstandsänderung "einen Missstand in der Verwaltung darstellt". Währenddessen unterbreitete Michaela P.s Anwalt Helmut Graupner die Sache erneut dem VwGH: "Der Spruch, der die Abkehr vom Operationszwang erneut bekräftigt hat, ist in Rekordtempo erfolgt - für das Ministerium diesmal offenbar überzeugend."

Graupner spricht von einem "großen Erfolg", doch Michaela P., die ihn als Betroffene mit errungen hat, blickt mit einer gewissen Bitterkeit auf die vergangenen vier Jahre zurück. Der Rechtsstreit hat sie 38.000 Euro gekostet - sowie den Job: Ende 2009 entzog ihr die Firma, bei der sie im Managementbereich leitend tätig war, das Vertrauen. Den Arbeitgebern sei ihre äußerliche Veränderung bei gleichbleibend männlichem Personenstand zunehmend inakzeptabel erschienen, vermutet sie.

Mehrere hundert Betroffene

Ob eine Person vor den Behörden - und somit in ihren Dokumenten - als Mann oder als Frau gilt, entscheidet letztendlich die für Personenstandsfragen zuständige Abteilung im Innenministerium. Zur Transgenderfrage hatte sie auf der Grundlage zweier Erlässe aus den Jahren 2007 und 2009 darauf bestanden, dass geschlechtsanpassende Operationen für eine behördliche Geschlechtsänderung unverzichtbar sei: Zwei Verwaltungsgerichtshof- und ein Verfassungsgerichtshof-Urteil hatten bis vor kurzem nichts an dieser Haltung ändern können.

Schätzungen zufolge leben in Österreich mehrere hundert Transgenderpersonen. Anträge auf Personenstandswechsel sind selten: Zwischen 1 . Jänner und 31. Juli 2009 waren es 23, 16 davon wurden gewährt. (bri/DER STANDARD, Printausgabe 31.03.2010)


Erschienen in die/derStandart.at 30./31.4.2010


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Grüne und SoHo fordern Gesetzesänderung

01. Oktober 2009, 13:19

Innenministerium ignoriert VwGH-Urteil - Operation soll nicht mehr Voraussetzung für Änderung des Personenstands sein

Wien - Die Grünen, die NGO TransX und die SoHo (Sozialdemokratie und Homosexualität) fordern für Transsexuelle Änderungen im Personenstandsrecht. Derzeit müssten Menschen, die sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, eine operative Geschlechtsumwandlung vorweisen, damit in allen Dokumenten das gewünschte Geschlecht anerkannt werde, erklärte Marco Schreuder, Sprecher der "Grünen Andersrum", am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Dies sei eine "menschenrechtswidrige Situation".

Gerichtsurteil im Innenministerium ignoriert

Ein Erlass des Innenministeriums aus dem Jahr 2007 gebe vor, dass Änderungen des Personenstands nur dann genehmigt werden könnten, wenn sich die Betroffenen einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hätten, so Schreuder. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber in einem Urteil vom Februar dieses Jahres festgestellt, dass eine Operation nicht die Voraussetzung für eine Anerkennung sein könne. Innenministerin Maria Fekter (V) habe den Erlass trotzdem nicht zurückgezogen, sie "ignoriert ein Gerichtsurteil", kritisierte Schreuder.

Kein OP-Zwang durch Gesetze

Es werde nicht nach den Bedürfnissen von Transsexuellen gefragt, meinte auch Eva Fels, Obfrau von TransX. "Wir wollen, dass die gesetzliche Lage nicht dazu zwingt, Operationen vorzunehmen." Weil in den Dokumenten von Transsexuellen, die sich keiner Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, das biologische Geschlecht angegeben sei, "zwingt uns der Staat dazu, bloßzulegen, dass wir transsexuell sind".

Dies habe auch bei Ulli Roßmann, die seit zwei Jahren als Frau lebt, schon öfter zu Diskriminierungen in der Öffentlichkeit geführt: "Ich werde beim Arzt als Herr aufgerufen", erzählt die Betroffene. Auch sei ihr schon passiert, dass ihr bei der Post ein Paket nicht ausgehändigt wurde, weil sie aufgrund ihres Ausweises "nicht eindeutig identifizierbar" sei. Sie würde einige Transsexuelle kennen, die sich nur für die staatliche Anerkennung einer Operation unterzogen hätten und es jetzt bereuen würden.

Verpflichtende Therapie soll ebenfalls fallen

Schreuder und Fels forderten deshalb, dass das juristische Geschlecht dem "sozialen Geschlecht" angeglichen werden müsse. Psychotherapeutische Befunde sollten nur notwendig sein, wenn die "Lebenspraxis", etwa durch Befragung des persönlichen Umfeldes, nicht nachgewiesen werden könne. "Eine Operation darf kein Kriterium sein", betonte Schreuder. Fekter könnte durch einen Erlass "ganz rasch Abhilfe schaffen". (APA)


Erschienen in dieStandart.at und derStandart 22.9.2009


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Sieben Transgender-Personen wollten zwischen Feber und Juli das amtliche Geschlecht wechseln, ohne sich davor sogenannten geschlechtsanpassenden Operationen zu unterziehen: Aber so einfach ist das nicht, auch wenn der Operationszwang nicht mehr besteht.

Geschlechterwechsel im rechtsfreien Raum

21. September 2009, 18:46

Undurchschaubare Regeln aus dem Innenministerium erschweren Transgenderpersonen das Leben: Psychiatrisches Gutachten von Betroffenen gefordert

Wien - Die Entscheidung, ob man als Mann oder als Frau leben möchte, falle im Kopf, betont Eva Fels, Obfrau des Vereins TransX. Für Transgenderpersonen, die in dem für sie falschen Geschlecht geboren wurden, sei der Weg dorthin oft mühevoll. Erschwerend hinzu komme der Kampf mit den Ämtern, die einen Menschen ganz offiziell zum Mann oder zur Frau erklären - wenn auch seit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (Vwgh) seit Februar 2009 nach "völlig undurchschaubaren" Regeln. "Seither existiert hier ein rechtsfreier Raum", kritisiert Fels.

Laut der Beantwortung einer parlamentarische Anfrage der Grünen bekamen dies - bis 31. Juli des heurigen Jahres - österreichweit sieben Personen zu spüren. Sie wollten das Geschlecht wechseln, ohne sich davor sogenannten geschlechtsanpassenden Operationen zu unterziehen: der chirurgischen Entfernung von Busen oder Penis, die aufgrund der Radikalität des Eingriffs von einer Mehrheit innerhalb der Transgenderbewegung abgelehnt wird.

"Die sieben wurden von der zuständigen Abteilung im Innenministerium aufgefordert, ein psychiatrisches Gutachten beizubringen, das Aufschluss darüber geben soll, ob es ihnen mit der Geschlechtsänderung ernst ist", schildert Fels. Für sie völlig unverständlich: "Ein Psychiater kann vielleicht über das Vorliegen einer psychischen Erkrankung urteilen, aber doch nicht darüber, ob ein solcher Wunsch eindeutig ist oder nicht." Wenn überhaupt, so könne das "jeweils der behandelnde Psychotherapeut einschätzen, der die Betreffenden meist jahrelang kennt" .

Ende des Operationszwangs

Die geschlechtsanpassende Operation hatte in Österreich seit 2007 als Voraussetzung einer Personenstandsänderung von Mann zu Frau - oder umgekehrt - gegolten. Ein Erlass des Innenministeriums hatte das so bestimmt, nachdem der Verfassungsgerichtshof die vorige Regelung außer Kraft gesetzt hatte. Im Februar 2009 hob der Verwaltungsgerichtshof den Operationszwang auf, wobei es auf das Menschenrecht auf Privatleben und Familie hinwies.

Doch im Innenministerium konnte und kann man sich offizielle Geschlechtsänderungen ohne Experten-Okay nicht vorstellen: "Es muss eine Grundlage geben. Ohne Regeln geht das nicht" , meint Ministeriumssprecher Rudolf Gollia. Damit rennt er beim grünen Justizsprecher Albert Steinhauser offene Türen ein. Doch angesichts des "offenbar mangelnden Informationsstands über die Transgenderthematik" will er "unter Politikerkollegen erst einmal Aufklärung betreiben" .

Von Fekter erhofft Steinhauser in der Zwischenzeit "Klarheit, wie jetzt genau vorgegangen wird". (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 22.9.2009)

Link
TransX


Erschienenin dieStandart.at und derStandart 22.9.2009
Dokumente:
 
Parlamentarische Anfrage der Grünen an das BMI betreffend Erlass BMI 12.1.2007, VA 1300/0013-III/2/2007; 13. 7. 2009
Anfragebeantwortung des BMI, die mehr Fragen offen lässt als sie beantwortet; 11.9. 2009